Haushaltsrede zum Kreishaushalt 2025, gehalten von Eleonore Lubitz in der Kreistagssitzung am 09. 12. 2024
Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Kreistages und der Verwaltung,
zunächst sei einmal gesagt, dass die gesamtpolitische Lage auch das Leben in unserem Kreis bestimmt. Das Aus der Ampel und die bevorstehenden Neuwahlen haben zur Folge, dass viele Vorhaben und Gesetze gescheitert sind und die ökologische Transformation verspielt wird.
Ohne Umverteilung und soziale Absicherung, ohne eine Wirtschafts- und Industriepolitik, die an soziale Garantien geknüpft ist, wird es keine Transformation und schon gar keine fürs Klima geben.
Menschen, ich bin ganz offen, dazu zähle ich mich auch, haben Schwierigkeiten, die Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse und der gegenwärtigen Situation noch nachzuvollziehen und zu verstehen, sie verlieren die Orientierung. So verwundert es mich nicht, wenn Jugendliche im Osten zu 80% Sicherheit der Freiheit vorziehen, obwohl ihre Eltern mal für die Freiheit Mauern eingerissen haben.
Seit der Corona-Krise verdichtete sich das Gefühl, in einer permanent krisenhaften Welt zu leben und keine planbare Zukunft mehr zu haben. Mit dem Ukraine-Krieg und der folgenden Inflation hat sich dieser Eindruck noch verstärkt. Hinzu kommen Gaza und aktuell Syrien mit Fragezeichen. Staatliche Prioritäten, die an den Lebenswirklichkeiten vieler vorbeigehen, lassen Grenzen des politischen Systems offenbar werden.
Ein der Krisensituation angemessener Abwägungs- und Adjustierungsprozess findet nicht statt. Beispiel Neuwahl: Das Schreckliche am Prozess war, dass gefühlt alle eine schnelle Neuwahl herbei sehnten. Damit bleibt wieder keine Zeit sich zu besinnen und verursachte Fehler zu korrigieren.
Die Ungleichzeitigkeit von Widersprüchen, die mit den gewohnten Steuerungsmechanismen nicht »in den Griff zu bekommen« sind, bewirkt ein Auseinanderfallen von grundlegenden gesellschaftlichen Problemen und öffentlichen Triggerpunkten, hier das Kreishaus oder da nicht erfüllte Erwartungen im sozialen Bereich wie bei den Sozialberatungen, siehe Resolution.
Weil es die Ex-Koalition versäumt hat, die großen Konzerne stärker in die Pflicht zu nehmen, droht Deutschland seine klimapolitischen Ziele bis 2030 zu verfehlen.
Können wir im Kreis nicht mehr auf die Unterstützung von Bund und Land hoffen, werden auch wir davon betroffen sein. Dieser Haushalt und die kommenden Haushalte lassen ohne die Unterstützung von Bund und Land wenig Spielraum, aber wir können uns nicht nur auf Druck der kommunalen Familie und auf Druck der Öffentlichkeit heraus sparen.
Liebe Kolleg:innen,
ich verspüre wieder diesen aufkommenden wachsenden Fatalismus. Dies mache ich besonders an dem Prozess um die Sanierung des Kreishauses fest.
Wir verirren uns wieder im Tal der Tränen und am Ende des Tunnels ist kein Licht erkennbar.
Mit der Einführung der Doppik sollten eigentlich öffentliche Haushalte transparenter und vergleichbarer werden
Der Wirtschaftsdienst (100. Jahrgang, 2020 · Heft 9 · S. 707–711 · JEL: H83, H71, H72) hinterfragte in 2020 ob die Doppik öffentliche Investitionen ausbremse. 3 Vergleichsstudien beobachteten einen “konsistent negativen Effekt auf die öffentlichen Investitionen”.
Heute stehen wir auch wieder hier und müssen eine Sanierung des Kreishauses rechtfertigen. Und die Zahlen machen einen schwindelig.
Ohne Verschwörungstheorie möchte ich mal wieder den Fokus auf die Bertelsmann–Stiftung lenken. Sie ist ein maßgebliches Sprachrohr für gesellschaftliche Veränderungsprozesse. Die Stiftung möchte die Gesellschaft nach den Ideen Reinhard Mohns (†2009) gestalten bzw. umgestalten. Die Grundannahme Reinhard Mohns war, dass wirtschaftliche Effizienz und Gemeinschaftssinn nicht im Widerspruch zueinander stehen, sondern beides zugleich stattfinden kann. Liz Mohn prägte diese Grundannahme der Bertelswelt entscheidend mit, Stichwort Gießkannenprinzip. Diese Bertelswelt ist für mich als Heilsbringerwelt, durchaus zu vergleichen mit einer Rudolf Steiner Welt. Während zweiterer es schaffte uns Medizin in kleinen dünnen Dosen zu verkaufen, macht es erstere mit verdünnten öffentlichen Haushalten. Unendlich verdünnt, bleiben beide Dosen wirkungslos.
Im Kommunalen Finanzreport 2013 der Bertelsmann-Stiftung (Teil VII, Seite 156) finden wir sie noch völlig überzeugt von der Schuldenbremse bis in die Kommunen hinein: “Die Schuldenbremse basiert im Kern auf drei Komponenten: ersten der Nutzung der Doppik zur vollständigen Abbildung der finanziellen Verhältnisse einer Kommune, zweitens einer Verpflichtung zum Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses, drittens der Einführung eines automatischen Sanktionsmechanismus (sogenannter Generationenbeitrag) auf Basis der Grundsteuer B bzw. der Gemeindeverbandsumlage. Der Generationenbeitrag stellt als Ultima Ratio den steten Ausgleich des ordentlichen Ergebnisses und damit die Generationengerechtigkeit der Haushaltspolitik sicher. Zentrale Rahmenbedingung für eine derartige Schuldenbremse ist die Existenz funktionierender Konnexitätsregelung.“
Konnexität ist ausgebremst, Investitionen auch.
Da die Bertelsman-Stiftung das Ohr an Zeit und Bevölkerung hat, vielmehr als die meisten Politiker:innen, resümiert sie nun folgendes unter “Deutsche Schuldenbremse auf dem Prüfstand”, (Mai 2024, Seite 35): “Vielmehr dürfen vermeintliche Sparzwänge hierzulande auch in Anbetracht der massiven Staatsausgaben bei globalen Wettbewerbern nicht zum Standortnachteil werden. Nach Abwägung vieler Argumente und Reformoptionen erscheint eine Reform der aktuellen Schuldenregeln angemessen, die den nötigen Handlungsspielraum für investive Staatsausgaben vor allem, aber nicht nur im Bereich der ökologischen Transformation langfristig gewährleistet. Zur Sicherstellung dieses Investitionscharakters schuldenfinanzierter öffentlicher Mittel und zur Vorbeugung zu extensiver Ausgabenwünsche sollte dabei auch eine wissenschaftliche Beratung und Begleitung durch ein entsprechendes Expertengremium verankert werden.”
Ich brauche dafür nicht eine Linke zu sein, um herauszulesen, wer mitregiert.
Es liegt in der Natur des Kapitals, (Privatwirtschaft), dass es nicht gerne in öffentliche Haushalte, (in Form des Fiskus), einzahlt.
Aber da der Kapitalismus nicht nur destruktiv ist, sondern auch innovativ, dürfen wir gespannt sein, was als nächstes passiert.
Gewissermaßen weiß ich es schon. Über den Umweg aus Brüssel und mit dem Stempel aus Gütersloh erreicht uns eine Reform der Doppik mit Nachhaltigkeitsberichten und Nachhaltigkeitshaushalten.
Bei aller Kritik meinerseits, ist eine Reform des bisherigen Systems in Form eines Nachhaltigkeitshaushaltes notwendig und sinnvoll. Auf die Verwaltungen und die Politik kommt dabei ein weiterer Zeitaufwand zu. Und auch hier wird dann gelten: Die Dosis bestimmt den Erfolg.
Liebe Kolleg:innen,
der erste Kämmerer wird heute wohl den Haushaltsbankrott erklären, Herr Kemper aus Altena, weil er eine exorbitante Erhöhung der Grundsteuer B, ich erinner hier an den erwähnten Sanktionsmechanismus nicht für zielführend hält.
Ohne eine Umverteilung der Finanzlasten von oben nach unten werden unsere verdünnten Haushalte trotz aller Mühen wirkungslos bleiben.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Mitarbeiter:innen der Verwaltung für die Erarbeitung des Haushaltes und das Bemühen um Einfachheit, Vergleichbarkeit und Transparenz bedanken.
Diesem Sparhaushalt können wir allerdings nicht zustimmen, wir werden auch nicht den Anträgen zum Haushalt von AfD, FDP und CDU zustimmen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit und Glück auf.
Ich wünsche uns für das kommende Jahr Mut zu Widerstand, erfolgreiche Wahlen und Frieden.
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