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Haushaltsrede 2022

In der letzten Kreistagssitzung des Jahres wurde wie üblich die Haushaltssatzung für das kommende Jahr beschlossen. Zu diesem Anlass werden jedes Mal die Haushaltsreden gehalten. Im Folgenden die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden.

Sehr geehrter Herr Landrat,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Verwaltung,

Die Redezeit ist kurz. Deshalb das Wichtigste gleich zu Beginn:

Die Herausforderungen an die Organisation unseres Zusammenlebens sind so hoch wie lange nicht mehr. Das alles erfordert neue Regeln oder die Anpassung alter Regeln.

Wir sind hier zwar nicht für die Regeln zuständig, aber für deren Anwendung und Ausgestaltung im Ennepe-Ruhr-Kreis.

Eine Hauptlast liegt dabei bei der Verwaltung, die die neuen Regeln oft in kürzester Zeit in ihre Prozesse integrieren muss. Für uns als Politik hat sie zusätzlich die Aufgabe, die neuen Regeln bekannt zu machen und zu erklären.

Sie kann dabei oft nur hoffen, dass ihre Planungen von uns nicht für die politische Profilierung genutzt werden, und ihr so das Leben nicht noch zusätzlich erschwert wird.

Auch die Durchführung und Planung von aktuellen und zukünftigen Bauprojekten des Kreises stellt aktuell eine außergewöhnliche Belastung dar.

Deshalb möchte ich mich, auch im Namen meiner Fraktion, bei den Mitarbeiter*innen der Verwaltung für ihre hervorragende Arbeit bedanken.

Die Vorweihnachtszeit wird ja gerne als besinnlich bezeichnet. Ich kann mir vorstellen, dass sie es für sie bisher nicht war.

Trotzdem wünsche ich uns allen, dass die Zeit der Besinnung noch kommt, damit wir wieder Kraft für das kommende Jahr tanken können.

Für das kommende Jahr möchte ich einen Denkanstoß geben.

Das 9-Euro-Ticket war der Anlass, dass für viele der ÖPNV wieder interessant wurde. Dabei sind zunächst die Mängel aufgefallen. Wir konnten feststellen, wenn man es den Menschen einfach macht, den ÖPNV zu benutzen, dann wird er auch mehr genutzt. Und das führt zu Problemen.

Wie immer stellt sich die Frage „Wer soll das bezahlen?“

Würden wir den ÖPNV dem freien Markt überlassen, dann gäbe es keinen ÖPNV. Es liegt aber in unser aller Interesse, dass es den ÖPNV gibt und dass er reichlich genutzt wird. Deshalb ist es richtig, dass wir den ÖPNV aus dem Kreishaushalt finanzieren.

Aus dem Kreishaushalt fließen zusammengerechnet knapp 28 Mio. Euro in den ÖPNV. Mit Ticketverkäufen erzielt die VER voraussichtlich in diesem Jahr 9 Mio. Euro geplant waren 11 Mio. Euro.

Jeder von uns zahlt also etwa 7,30 Euro im Monat dafür, dass der ÖPNV fährt. Allerdings ohne uns. Würden wir uns entschließen, stattdessen 10 Euro zu bezahlen, könnten wir auf die Tickets verzichten und dürften dann sogar alle mitfahren.

Leider gibt es zu viele, die das für unbezahlbar halten.

Stattdessen streiten wir darüber, wie die Einnahmeverluste, die durch das 49-Euro-Ticket entstehen, kompensiert werden sollen und ob es nicht auch ein 29-Euro-Ticket geben müsse für Menschen, die sich das 49-Euro-Ticket nicht leisten können.

Es gibt gleich noch einen Antrag von SPD und Grünen, durch den 20 Menschen das 49-Euro-Ticket ein Jahr geschenkt werden soll.

Es ist klar, dass es für die Entlastung der kommunalen Haushalte besser wäre, wenn sich auch Bund und Land an Betrieb und Ausbau des ÖPNV stärker beteiligen.

Deshalb ist die gegenwärtige Diskussion wichtig. Aber sie legt einen falschen Fokus. Es sollte nicht darum gehen, wie man ein unattraktives 49-Euro-Ticket finanziert, das nur wenigen zu Gute kommt. Es sollte darum gehen, wie man guten und attraktiven ÖPNV gestaltet.

Niemand sollte sich die Frage stellen müssen, ob es günstiger oder unkomplizierter ist, den PKW zu benutzen.

Wir haben keinen Antrag dazu gestellt, weil so etwas gründlich besprochen werden muss. Es ging uns darum aufzuzeigen, dass die gegenwärtige Diskussion den Blick in die falsche Richtung lenkt.

Die Idee des fahrscheinfreien ÖPNV wird viel zu leichtfertig als unbezahlbare Spinnerei abgetan. Als wenn die Tickets den ÖPNV finanzieren würden und deren Abschaffung zwangsläufig in den Ruin führen müsste. Dabei bezahlen wir als Kommune, als Kreis, also jeder Einwohner des Kreises, bereits den größten Teil der Kosten.

Aber das geht in der Diskussion um das 49-Euro-Tickets komplett unter. Im Gegenteil, es erhöht völlig zu unrecht die Bedeutung der Ticketeinnahmen und versteckt dadurch die Kosten, die den Kommunen entstehen, damit ÖPNV überhaupt stattfindet.

Um es nochmal zu betonen: Wir zahlen heute jeder 7,30 Euro, ohne dass wir dafür schon mitfahren dürfen. Nur knapp 3 Euro mehr, und wir dürften auch mitfahren.

Ist es da nicht ziemlicher Blödsinn, sich zu fragen, wie teuer ein 49-Euro-Ticket für wenige wird, wenn wir alle ein Ticket für nur 3 Euro bekommen könnten?